Mittwoch, 24. Mai 2017

Der Weg in die Verarmung


Gerechtigkeits-Fake
SPD, Grüne und Co. haben das untere Drittel der Bevölkerung systematisch in die Armut getrieben. Jetzt sollen die Armen mit dem Thema "soziale Gerechtigleit" an die Wahlurnen gelockt werden. 

16,1 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung (und damit jeder Fünfte in Deutschland) sind arm bzw. unmittelbar von Armut bedroht. Die Warnung vor einer Zweidrittel-Gesellschaft, die man in den 1980er Jahren noch für über-trieben hielt, erweist sich zunehmend als realistisch. Und ausgerechnet diese Millionen von Armen bzw. von Armut und sozialem Abstieg Bedrohten sollen jetzt SCHULZ (also vermutlich Rot/Grün) zum Wahlsieg verhelfen, jenem aus dem Hut gezauberten Kanzlerkandidaten, der bei Maischberger erst kürzlich wieder den anspruchslosen Mann aus dem Volke gemimt hat und mit seiner rührseligen Lebensbeichte vom trockenen Alkoholiker (darauf erst mal einen trockenen Roten, hahaha!) in die verheulten Fußstapfen des vorletzten (erfolglosen) Kanzlerkandidaten der SPD tappte? Und das nach Putin-Männer-freund Gerhard Schröder, dem Erfinder von "faulen Säcken" (Lehrer) und "Faulheitsverbrechern" (Hartz-IV-Bezieher), Frank Walter "the Kitt" Steinmeier, einst Vollstrecker der Agenda 2010, der jetzt mit der Frage nervt, was diese "aus den Fugen" geratene Welt denn noch zusammenhält, während immer mehr Menschen in aller Welt den Kitt aus den Fugen fressen müssen. Dito Joschka Fischer, Wolfgang Clement, Peer SteinbrückWalter Riester und all die anderen höchst eigennützigen Selbstvermarkter bei Sozen und Grützen, die unablässig überflüssige Bücher schreiben, gegen Wucherhonorare Reden schwingen und sich als "Berater" bei denen verdingen, deren Rat sie einst selbst suchten, indem sie sich die Gesetzentwürfe gleich von deren Lobbyisten diktieren ließen? 



Aktuelles "Vorwort" zu den nachfolgenden Betrachtungen

Ich habe hier mal einige Fakten zusammengetragen, die zeigen, wer sich da immer so um den "kleinen Mann", "seinen Nachbarn", "die hart arbeitende Krankenschwester", "die allein erziehende Mutter" usw., usw. sorgt und grämt und wie diese Figuren in Wahrheit die Probleme selbst geschaffen haben, die sie jetzt durch "soziale Gerechtigkeit" wieder aus der Welt schaffen wollen.


Die Mittel der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), wohlgemerkt VERSICHERUNGS-BEITRÄGE !!!), wurden über viele Jahrzehnte durch systematische Abschöpfung (Zweckentfremdung) der Beitragsüberschüsse dezimiert. Die für versicherungsfremde Zwecke entnommenen Beitragsüberschüsse beliefen sich laut einer bereits 2008 veröffentlichten "Rentenklautabelle“ für die Zeit von 1958 bis 2007 auf 524.775.000.000 €uro. Wären dieses Beitragsüberschüsse seinerzeit (d.h. seit 1957, vor Einführung des sog. Umlageverfahrens) bei nur 3 % angelegt worden, statt zweckentfremdet zu werden, so wären diese zu GRV-Reserven von mehr als einer Billion € (in Zahlen: 1 000 000 000 000 €) angewachsen. „Rente mit 67“, die dreisterweise mit dem "demografischen Wandel" erklärt wird, wäre selbst in konjunkturschwachen Zeiten für die nächsten 20 Jahre nicht erforderlich gewesen, zumal das von einer Mehrheit der jetzigen Rentner zu Zeiten der Vollbeschäftigung eingezahlte Kapital bei einer Verzinsung von 3 % selbst bei laufendem Rentenbezug nicht abgenommen hätte, sondern noch angewachsen wäre. Nicht zufällig sind die Renten in kleinen Ländern wie der Schweiz oder Österreich deutlich höher als in Deutschland.
Fasst man sämtliche Steuern zusammen, so haben Einkommensschwache ähnlich hohe Abzüge wie die Einkommensstärksten. Hauptgrund sind hohe Verbrauchssteuern (z.B. 19 Prozent Mehrwertsteuersatz, ein historischer Wahlbetrug der Sozialdemokraten).
Ein weiterer Anschlag auf die Einkommen der kleinen Leute war mit den sog. Hartz-Gesetzen verbunden (aktueller Stand hier). Am 1. Januar 2005, trat das „vierte Gesetz zur Modernisierung des Arbeitsmarktes“ in Kraft, das unter dem Namen Hartz IV bekannt wurde. Ergebnis: Wer seinen Job verlor, erhielt nur noch ein Jahr lang Arbeitslosengeld (ältere Arbeitnehmer 18 Monate). Die Arbeitslosen- und Sozialhilfe wurden zum Arbeits-losengeld II zusammengelegt, jedoch nicht auf dem Niveau der Arbeitslosenhilfe, wie der VW-Manager Hartz dies vorgesehen hatte, sondern auf dem niedrigeren Niveau der Sozialhilfe.
Die Deregulierung des Arbeitsmarktes durch die rot-grüne Agenda 2010 ist selbst nach der "Reform" von 2016 noch voller Schlupflöcher. Der Missbrauch von Werkverträgen durch die Lockerung der Tarifbindung und weitere "Reformen" des Arbeitsrechts zuungunsten der Arbeitnehmer, die übrigens 2004 auch auf der Wunschliste der CDU-Spitze standen, aber parteiintern auf heftigen Widerstand stießen, öffnete dem Sozialbetrug Tür und Tor.

Wenn SPD-Politiker sich heute über Löhne entrüsten, von denen keiner leben kann, versuchen sie die Bevölkerung zu täuschen, dass sie selbst es waren, die diese Zustände erst ermöglicht haben. Und auch der dann eingeführte Mindestlohn, den man als größte Wohltat aller Zeiten zu verkaufen versucht, verhindert Lohndumping nicht und führt zu Armuts-Renten.


Die Antragsverfahren, um Sozialleistungen zu beziehen, sind bewusst so kompliziert gestaltet, dass viele auf die ihnen zustehenden Leistungen verzichten. So wurden das "Bildungs- und Teilhabepaket" und der Kinderzuschlag zum Kindergeld zum Flop. Letzterer erreicht gerade die, für die er gedacht ist, nämlich geringstverdienende Eltern, nicht. Viele Arme und Alte, die Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hätten, kapitulieren vor den intransparenten Gesetzen und verzichten millionenfach auf ihre Ansprüche. Zusätzlich werden - dank SPD-Ministerin Nahles - die Opfer falscher Ämter-Bescheide planmäßig benachteiligt.


So viel in der GroKo, also immer unter Beteiligung der "Sozial"-Demokraten, auch durch immer neue "Stärkungsgesetze" an der Pflegeversicherung herumgebastelt wird: Die sektorale Fragmentierung des Versorgungssystems in ambulante und stationäre Pflege und die leistungsrechtlich unzureichende Absicherung verhindern eine Lebensstandard-sicherung im Hinblick auf das Pflegerisiko.


Durch die Betriebsrentenreform gibt es keine Garantierente, sondern nur eine Zielrente, d.h. das Risiko des Kapitalmarkts tragen die Betriebsrentner allein, während die Unternehmen von Zusagen entlastet werden. Betriebsrenten sind kein "Zubrot" zur Rente, sondern "schützen" nur vor den Einbußen in der gesetzlichen Rente, die Rot-Grün erst geschaffen haben.


"859 Euro", schreibt der "Stern", "hat ein durchschnittlicher deutscher Haushalt 2015 für Wohnen, Energie und Instandhaltungsarbeiten ausgegeben. Damit war laut Statistischem Bundesamt die eigene Unterkunft mit 36 Prozent der größte Posten im [durchschnitt-lichen] monatlichen Ausgabenbudget von rund 2400 Euro." Bei Einpersonenhaushalten lag der Budget-Anteil für Wohnen sogar bei 41 Prozent. Anfang der 1960er mussten nur 11 Prozent des Haushaltseinkommens für die Miete ausgegeben werden. Und der Anteil für Strom, Gas und Heizung betrug nur vier Prozent. In vielen Großstädten herrscht massive Wohnungsnot, während die Mieten ins Uferlose steigen. Die sozialdemokratische Großtat "Mietpreisbremse" ist dagegen mal wieder ein RohrkrepiererLöchriges Gesetz stößt auf die böse Raffgier der realen Wohnungswirtschaft. Aber jetzt ist Schulz. Oder besser Schluz mit SZ. Schluss mit den leeren Versprechungen. WeltN24 schreibt: "Offensichtlich erkennen die Menschen, dass das Versprechen vom omnipotenten Staat, der seinen Bürgern in allen Lebenslagen Schu[l]tz bietet, unhaltbar ist. So kann eine Mietpreisbremse in Zeiten knappen Wohnraums den Preisanstieg nicht dämpfen. Der Mindestlohn lässt den Niedriglohnsektor nicht schrumpfen. Und die Rente mit 63 löst keines der Renten-probleme, sondern nutzt nur der SPD nahestehenden Facharbeiterklientel."

"Die Energiewende kommt die Armen teuer", berichtet die FAZ. "Steigende Preise [infolge EEG-Umlage] sind Armutsrisiko" stellt die taz fest. Die "Armen zahlen die Energiewende" konstatiert die Frankfurter Rundschau. "Einkommensschwache Haushalte werden nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) durch Strompreisaufschläge überdurchschnittlich belastet", heißt es im Münchner Merkur. "Die Energiewende verschärft die soziale Schieflage", kann man auf wdr5 (Morgenecho - Westblick am Morgen vom 23.05.2017) nachhören. Usw., usw.


Fazit

Dies kiritische Gedichtchen diene
dem Schmucke jeder Wahlkabine:
September in the Rain

oder: Wahlalternativen

Nomen est omen, sagt der La-
teiner, und darum fängt der Na-
me von so vielen Kandida-
ten der sozialen Demokra-
ten an mit S und Esceha.

Wen wundert’s, wenn’s schon so anfängt,
dass uns die Sch…am Hintern hängt
am Ende der Regierungszeit
von Schröder, Steinbrück undsoweit (= usw.).

Wählt man stattdessen AfD
dann sind’s nur andre Volksverrä-
ter, die im Anschluß an uns kle-
ben und von derartigen Re-
aktionären kommt nichts Gutes.
So endet böse, wenn man tut es.

Doch mach, auch wenn Vergleiche hinken
dein Kreuz doch einmal bei der Linken.
Oder wenn dick dein Portemonnaie
dann rettet dich die FDP.
Vielleicht denkst du auch radikal:
Was ich auch wähl, es ist egal.

Was ist bei aller Qual der Wahl
jedoch am Ende die Moral?
Du machst beim Voten keinen Scheiß,
zeigst du nur dem System den Steiß!
Ulrich Lange 

Samstag, 20. Mai 2017

Nachbarschaftsquartiere gegen die Vereinsamung (2)

Quartiersentwicklung in kleinen Schritten 


"Keine der großen Herausforderungen, vor denen wir in Politik und Gesellschaft stehen", schreibt der Bundes-tagsabgeordnete Michael Bürsch in seinem Aufsatz "Leitbild lebendige Bürgergesellschaft", "wird sich ohne das freiwillige Engagement von aktiven Bürgerinnen und Bürgern bewältigen lassen." Dies gilt insbesondere für jenen umfassenden Wandlungsprozess, der mit der Veränderung der Altersstruktur (nicht nur) der deutschen Gesellschaft verbunden ist. Hier muss die Frage beantwortet werden, wie regionale Daseinsvorsorge auf den demografischen Wandel reagieren und sich auf die veränderten Bedarfe einer alternden Wohnbevölkerung einstellen sollte und wie andererseits - angesichts nicht unerschöpflicher Ressourcen - die Gesamtheit der sozialen Aufgaben quer durch sämtliche Bevölkerungsgruppen noch zufriedenstellend erfüllt werden können. 

Ein zentraler Lösungsansatz aus Sicht der Generation 60 Plus, so stellte dies Ursula Kremer-Preiß, Leiterin des Fachbereichs Wohnen und Quartiersgestaltung im Kuratorium Deutsche Altershilfe, auf dem Fachkongress „Regionale Daseinsvorsorge: Wohnen - Siedlung - Infrastruktur in ländlichen Räumen“ vom 5. Juni 2013 in Berlin fest, sei die Weiterentwicklung von Wohnstandorten im Sinne von Quartiersprojekten, um das selbständige Wohnen im vertrauten Wohnumfeld zu erhalten. Bei einer solchen Quartiersentwicklung seien sechs Aspekte besonders zu beachten:

  • generationengerechte räumliche Infrastruktur 
  • bedarfsgerechtes Wohnangebot, 
  • bedarfsgerechte Dienstleistungen und Angebote, 
  • tragende soziale Infrastruktur, 
  • wertschätzendes gesellschaftliches Umfeld sowie 
  • wohnortnahe Beratung und Begleitung 
Die erforderlichen Anpassungsprozesse in den (immer als "generationenübergreifend" verstandenen) Wohnquartieren sollen nach verbreiteter Auffassung auf dem Wege einer "kleinräumigen Vernetzung" (vgl. Kongressbericht S.12) erfolgen. Die speziellen Lösungen für die jeweiligen Bedarfe werden im Idealfall aus dem "Wohnquartier" als kleinster aktionsräumlicher Einheit heraus entwickelt, indem man "an den jeweils vorhandenen bzw. für das Quartier mobilisierbaren Potenzialen" ansetzt.

Dies ist nun allerdings leichter gesagt als getan. Heinze weist auf die "Erfolgskriterien und Restriktionen einer nachhaltigen Quartiersentwicklung" hin. So stellt er (vgl. S.16) im Hinblick auf die Weiterentwicklung von Wohnstandorten in Richtung auf "Caring Communities" fest:

>> Für soziale Aufgabenfelder wie das „vernetzte Wohnen“, die quer zu den etablierten Strukturen liegen, ist es jedoch schwierig, adäquate Finanzierungsstrukturen aufzubauen. Im deutschen System der sozialen Dienste existiert ein hoher Regulierungsgrad entlang der Säulen der Sozialgesetzgebung und deshalb stoßen neue integrative Angebote für „sorgende Gemeinschaften“ in dieser Landschaft [...] auf zahlreiche institutionelle Hürden. Es existiert für sie häufig keine klare öffentliche Finanzierungs- verantwortung.
Vor dem Hintergrund einer abgeschotteten Politiksegmentierung ist es nicht leicht, auf Quartiersebene kleinteilig vernetzte Versorgungsstrukturen zu etablieren, die es älteren Menschen ermöglichen, notwendige Versorgung und Dienstleistungen einschließlich Pflege und Betreuung innerhalb ihres Quartiers zu erreichen ‐ ganz zu schweigen davon, ihnen die Teilhabe am öffentlichen Leben sowie erweiterte Formen des Zusammenlebens über die Generationen hinweg und ein Altern in Würde zu ermöglichen. <<
Auch die oben bereits zitierte Zusammenfassung des Fachkongresses "Regionale Daseinsvorsorge..." (vgl. S. 13) weist auf hohe fachliche Anforderungen und einen kontinuierlich hohen Aufwand bei der Weiterentwicklung von Wohnstandorten hin:
>> Konkret bedeutet dies: „Jemand“ muss die Bedarfssituation vor Ort bzw. im Quartier / Dorf erkunden und Ideen entwickeln, wie vorhandene sozialstaatliche Leistungs- und Finanzierungsstränge wirtschaftlich und organisatorisch eingebunden werden können. Hierzu müssen Partner (z. B. Wohlfahrtsverbände) angesprochen, überzeugt, koordiniert und ggf. Kooperationsverträge ausgehandelt werden. Nicht minder wichtig ist es in der Regel, geeignete Räume zu finden, sie herzurichten (als Treffpunkte, für spezifische Angebote oder als altersgerechter Wohnraum) und für deren langfristige Bewirtschaftung eine geeignete Lösung / Trägerschaft aufzubauen. Schließlich leben derartige Quartierskonzepte von der Einbindung ehrenamtlicher Potenziale und vom Aufbau guter Nachbarschaften (informelle Nachbarschaftshilfe). Dabei geht es nur vordergründig um Kosteneinsparung. Mindestens ebenso wichtig ist die sinnstiftende und ggf. sogar salutogenetisch, d.h. auf den Prozess der Gesundheit gerichtete wirksame Aktivierung der Bewohner.

Schon aus dieser sehr kursorischen Beschreibung wird deutlich, dass die Entwicklung und Umsetzung von Quartierskonzepten für das Leben und Wohnen im Alter mit einem erheblichen Aufwand und hohen Qualifikationsanforderungen verbunden ist. Die mittlerweile dokumentierten guten Beispiele [...] verdeutlichen einerseits die Tragfähigkeit des Quartiersansatzes, führen aber auch zu der These, dass die Verbreitung und vielfache Nachahmung derartiger Quartierskonzepte nicht allein durch den Vorbildeffekt der guten Beispiele in Gang kommt. Entscheidend ist, dass der Organisations- und Vernetzungsaufwand im Einzelfall hoch bleibt und vor Ort „jemand“ gefunden werden muss, der diesen Aufwand schultert. Insofern sind die Entstehungsbedingungen der vorhandenen Beispiele hinsichtlich Motivation und Leistungsfähigkeit zu beachten: Einmal handelt es sich um Beispiele, die im Umfeld des Netzwerkes SONG entstanden und insofern von dem damit verbundenen fachpolitischen Pioniergeist getragen werden. In anderen, eher von der Bürgerschaft organisierten Fällen sind es wie bei der Seniorengenossenschaft Riedlingen außergewöhnliche, in den handelnden Personen begründete Konstellationen. Beides kann kaum die Grundlage einer Übertragbarkeit und einer entsprechenden Verbreitung bzw. Regelanwendung sein. <<
Quartiersentwicklung auf Initiative einzelner (Gruppen) engagierter Bürger kann also von vornherein nur in einem recht bescheidenen Maßstab stattfinden, etwa indem man einzelne ihrer Aspekte (z.B. Stärkung von Nachbarschaften als Beitrag zur tragenden sozialen Infrastruktur) aufgreift. Um personelle und materielle Ressourcen zu schonen, sollte unbedingt an tatsächlich vorhandenen "mobilisierbaren Potenzialen" angeknüpft werden.

Dies bedeutet für die Handlungsstrategie, nicht ausgerechnet gleich zu Anfang die dicksten Bretter bohren zu wollen und sich der schwierigsten Quartiere anzunehmen, die theoretisch vielleicht den größten Bedarf an "Weiterentwicklung" haben mögen, dies aber gerade deshalb, weil es dort an allem fehlt, was als "mobilisierbares Potenzial" in Frage käme. Klüger wäre es stattdessen, sich Quartieren zuzuwenden, wo bereits bestimmte Formen des bürgerschaftlichen Engagements praktiziert werden, eine engagementfördernde Infrastruktur vorhanden ist oder anderweitig günstige Voraussetzungen vorliegen. Zudem sollte gleich zu Beginn der Entwicklungsarbeit eine entscheidende Vorklärung stattfinden: Neben der Entwicklung eines realistischen Handlungsansatzes und einer plausiblen Handlungsstrategie (nachvollziehbare Handlungsschritte) sollte vorab definiert werden, "wo man hin will", d.h. welche Ziele man zu einer bestimmten Zeit erreicht haben will oder welchen Zustand man als erfolgreiche Entwicklung des Quartiers betrachtet.

Am Beispiel des Vorhabens "Nachbarschaftsquartiere gegen die Vereinsamung", das der Vorsitzende des Kreisseniorenbeirats im Vogelsbergkreis, Dr. Bernd Liller, im Mai 2017 auf der Beiratssitzung in Lauterbach vorstellte, kann das oben Gesagte recht anschaulich demonstriert werden.

So schreibt die Oberhessische Zeitung am 19.05.2017 unter der Überschrift "Beirat sucht Pilotquartiere für neues Projekt":

Dr. Bernd Liller, Vorsitzender des Kreis-Seniorenbeirats, hat während eines Vortrags zum Thema „Nachbarschaftsquartier“ ein Projekt angeregt, bei dem es unter anderem darum gehen soll, sich in überschaubaren Räumen wieder näherzukommen und einen vertrauteren Umgang miteinander zu pflegen. Denn: „Wir wissen, dass auch bei uns auf dem Land oft Fälle trauriger Vereinsamung vorkommen – nicht nur Verkehrswege und Verkehrsmittel sind in unserem Flächenkreis für Senioren problematisch“, sagte er. Liller bat seine Kollegen im Kreis-Seniorenbeirat darum, sich in ihren Kommunen nach geeigneten „Pilot-Quartieren“ umzuschauen, mit denen in ein solches Projekt gestartet werden könnte. Mit einem Fragebogen sollen dann die nachbarschaftlichen Verhältnisse mit allen positiven und negativen Aspekten ausgelotet und das Interesse an Nachbarschaftstreffen abgefragt werden.
Hier sollen also mittels eines recht informellen Verfahrens ("sich umschauen in den Kommunen") von einem überschaubaren Personenkreis (19 Mitglieder des Seniorenbeirats) "Pilot-Quartiere" gefunden werden, mit denen ein Projekt gestartet werden kann, das allerdings zunächst einmal darin besteht, an den vorgeschlagenen Wohnstandorten per Fragebogen "die nachbarschaftlichen Verhältnisse auszuloten" und "das Interesse an Nachbarschaftstreffen" zu erkunden.

Plausibel ist hier zunächst die Beschränkung auf einige (wie viele?) Pilotquartiere. Aber welche Eigenschaften machen diese für das Projekt "geeignet"? Allein das Urteil der Seniorenbeiräte aus den 19 Städten und Gemeinden des Landkreises? Oder sollen erstere dadurch identifiziert werden, dass sie besonders günstige Voraussetzungen dafür bieten, "sich in überschaubaren Räumen wieder näherzukommen und einen vertrauteren Umgang miteinander zu pflegen"? Ein Auswahlkriterium wäre damit "Überschaubarkeit". Ein weiteres "Gelegenheit zu vertrautem Umgang miteinander". Aber was wären die äußeren Kennzeichen dieser Eigenschaften?

Im Prinzip könnten auch negative Kriterien zur Auswahl dienen. Als Pilotquartiere besonders geeignet wären dann etwa die besonders unüberschaubaren, in denen man ein hohes Maß "trauriger Vereinsamung" vermuten könnte. Aber woher weiß man das mit Sicherheit? Die Fragebogen-Erhebung, die die nachbarschaftlichen Verhältnisse mit allen positiven und negativen Aspekten" untersuchen soll, findet ja nach dem ersten Entwurf erst statt, nachdem das Pilotquartier bereits benannt ist. Und wäre es dort dann überhaupt möglich, günstige Bedingungen für einen vertrauteren Umgang miteinander zu schaffen, wenn sich die negativen Annahmen bestätigten?

Etwas anderes ist es, per Fragebogen das "Interesse an Nachbarschaftstreffen" festzustellen. Das kann man machen. Aber rennt man damit bei den Aufgeschlossenen in funktionierenden Nachbarschaften nicht offene Türen ein, während die Bewohner weniger begünstigter Wohnstandorte keinen Grund sehen dürften, mit ihren Nachbarn engeren Kontakt zu pflegen als unbedingt notwendig? Zudem weiß man aus der Demoskopie, dass "die Fälle trauriger Vereinsamung", d.h. Menschen mit (Persönlichkeits-)Eigenschaften, die eine soziale (Selbst-)Isolation begünstigen, sich Umfragen gegenüber häufig verschließen.

Immerhin scheinen in dem neuen Projekt mehrere Handlungsschritte angelegt zu sein:

  • Die Beschreibung der nachbarschaftlichen Verhältnisse mit allen positiven und negativen Aspekten in den Pilotquartieren; 
  • die Schaffung von mehr Überschaubarkeit (Das könnte beispielsweise durch Einrichtung von Treffpunkten oder Hilfe-Stützpunkten geschehen!) als Voraussetzung eines vertrauensvolleren Umgangs miteinander sowie 
  • die Veranstaltung von Nachbarschaftstreffen (bei sich bestätigendem Bedarf) mit dem Ziel, die Vereinsamung von Menschen zu verhindern. 
Dies wirft nun allerdings eine Reihe neuer Fragen auf:
  1. Warum muss man mittels einer aufwendigen Fragebogen-Aktion erst noch Defizite der nachbarschaftlichen Verhältnisse als Ursache von Vereinsamung erheben, obwohl die Anregung des "Projekts Nachbarschaftsquartier" bereits auf der Prämisse beruht, dass es eine nennenswerte Zahl Vereinsamter gibt, deren Situation durch veränderte nachbarschaftliche Verhältnisse am Wohnstandort zu verbessern wäre? 
  2. Welches Interesse sollten die Bewohner eines Wohngebiets, Dorfes, Stadtteils usw. haben, über die "positiven und negativen Aspekte der nachbarschaftlichen Verhältnisse" Auskunft zu geben? Sind die Verhältnisse überwiegend positiv, so ist das Projekt überflüssig. Sind diese negativ, so entsteht hieraus nicht zwangsläufig der Wunsch, mit den Nachbarn einen vertrauteren Umgang zu pflegen bzw. an Nachbarschaftstreffen teilzunehmen. 
  3. Ist mit Auskünften über die positiven und negativen Aspekte der nachbarschaftlichen Verhältnisse an den als Pilotquartier ausgesuchten Standorten das Problem der Vereinsamung bestimmter Bewohner ausreichend zu beschreiben oder gar zu lösen? 
  4. Wen will man überhaupt befragen? Alle Bewohner eines Pilotquartiers, also z.B. auch Großfamilien, die wohl kaum unter Vereinsamung leiden würden, selbst wenn sie mit ihren Nachbarn nie sprechen und ihnen bei plötzlichen Schwierigkeiten auch niemand hilft? 
  5. Wem soll das Projekt helfen? Allen, um ihre nachbarschaftlichen Verhältnisse zu optimieren, mit denen sie möglicherweise aber ganz zufrieden sind? Oder nur den Einsamen, denen durch "gute Nachbarn" geholfen werden soll, ihre soziale Isolation zu überwinden, oder denen Ansprechpartner in der Nachbarschaft (Paten, Helfer) vermittelt werden sollen? 
  6. Auf welche Mittel (finanzielle Zuschüsse, ehrenamtliche Mitarbeit) könnte im Bedarfsfall zurückgegriffen werden, um mehr Überschaubarkeit und ein angenehmeres "Nachbarschaftsklima" am jeweiligen Wohnstandort zu schaffen? 
Solche "Bedenken" im Vorfeld könnten leicht aufgelöst werden, indem man von den Kriterien ausginge, nach denen die am besten geeigneten Standorte für Pilotquartiere ermittelt werden sollen. Ich will zwei Beispiele aus dem Vogelsbergkreis beschreiben, an denen deutlich wird, dass bei geschickter Auswahl der Standorte bereits an entwickelte Strukturen bzw. ein fortgeschrittenes Planungs- oder sogar Realisierungsstadium angeknüpft und damit vorhandene Potenziale leicht mobilisiert werden können. Ich spreche von den bereits im Zusammenhang mit dem Thema "alternative Wohnformen" vorgestellten Projekten "Leben und Wohnen im Alter" (Romrod) sowie  "Siedlungsgemeinschaft Wohnpark Burgblick" in Ulrichstein.

Das Romroder Projekt "Wohnen und Leben im Alter", ein multifunktionales Pflege- und Nachbarschaftszentrum, das konzeptionell mit der Perspektive einer Modelleinrichtung antritt, die zur Reproduktion ähnlicher Häuser in der gesamten Region (Best Practice, "Erfahrungslabor") anregen soll, fokussiert bereits deutlich auf den hier skizzierten Gesamtzusammenhang der Quartiersentwicklung, wobei der Handlungsansatz in der Schaffung einer

ortsnahe[n] Einrichtung zur Beratung, Tages-, ambulanten und stationären Pflege mit fließenden Übergängen sowie als Begegnungsstätte [...] in einem leerstehenden denkmalgeschützten Gebäude
gesucht wird. Durch das
multifunktionale Haus [soll] eine Stärkung der umliegenden Ortsgemeinschaften erfolgen, indem auf kurzen Wegen und in vertrauter Umgebung auch bei zunehmendem oder zeitweiligem Pflegebedarf verlässliche Unterstützung zugesichert wird: von der Beratung und ehrenamtlichen Unterstützung bis hin zum dauerhaften Lebensmittelpunkt.
Als Träger und damit Motor der Quartiersentwicklung ist eine gemeinnützige Gesellschaft vorgesehen, zu deren Mitgliedern auch die Betreiber eines lokalen Ärztehauses sowie der örtlichen Apotheke gehören sollen. Von dieser Gesellschaft erhofft man sich Impulse für die Bildung einer Patenschaftsorganisation, die bei der Einrichtung von weiteren entsprechenden Pflege- und Nachbarschaftszentren in der Region unterstützend tätig werden könnte.

Für das Ulrichsteiner Projekt sprechen die zahlreich vorhandenen infrastrukturellen Möglichkeiten (ehemaliges Feriendorf als überschaubares Nachbarschafts-"Quartier", bewohnt von zahlreichen Altersresidenten, erhebliche Gebäuderessourcen z.B. für die Einrichtung zusätzlicher Pflegewohngemeinschaften bzw. ausreichende Grundstücksressourcen für die Errichtung von seriellen Kleinhäusern als preiswerte Alternative zum herkömmlichen sozialen Wohnungsbau, traditionelles Pflegeheim als Kooperationspartner in unmittelbarer Nachbarschaft, Freiwilligenzentrum, Bürgerbüro und Bürgertreffpunkt als engagement-fördernde Infrastruktur, die - ähnlich wie in Romrod - eine Vielzahl von Einzelprojekten auf allen Ebenen der Gesamtproblematik erlauben:

  • Organisation der Nachbarschaft im Sinne "sorgender Gemeinschaften"
  • Aktivierung Ehrenamtlicher in der Nachbarschaft nach dem Aktivpaten-Modell
  • Schaffung preiswerten Wohnraums und altersgerechter Wohn-Alternativen (barrierefreie Minihäuser, Pflege-Wohngemeinschaften, Wohnen gegen Hilfe o.ä.), 
  • Aufbau eines Angebots nichtstationärer Versorgungs- und Betreuungsdienste (ehrenamtlich und gewerblich) 
  • die mit den örtlichen Strukturen vernetzt werden können. 
Wie zur Weiterentwicklung der genannten Standorte im Sinne von Nachbarschaftsquartieren weiter verfahren werden müsste, kann an dieser Stelle nur angedeutet werden. Sowohl in Romrod als auch in Ulrichstein sind Wohneinrichtungen für ältere Menschen in das "Quartier" integriert. Damit stellt sich der Gesamtheit der Bewohner die Aufgabe bzw. bietet sich ihr die Möglichkeit, auf verschiedenen Ebenen an einer generationengerechten sozialen Infrastruktur, einem bedarfsgerechten Wohnangebot, einem wertschätzenden gesellschaftlichen Umfeld sowie wohnortnaher Beratung und Begleitung mitzuwirken. So könnten diverse Formen gemeinschaftlichen Wohnens vom "Wohnen gegen Hilfe" bis hin zur Pflege-WG angeboten, haushalts- und lebensweltnahe Dienstleistungen organisiert, Treffpunkte eingerichtet werden usw. Zwei weitere wesentliche Instrumente der Intensivierung nachbarschaftlicher Beziehungen (ein "Besuchsdienst" als ständiges Ehrenamt im Quartier sowie die sog. "Feier-Brigade" zur Veranstaltung von Kaffeetafeln, Grillfesten, Geburtstagsfeiern usw. in kleinstem privaten Rahmen) habe ich bereits im vorhergehenden Blogbeitrag beschrieben.
Ulrich Lange 

Nachbarschaftsquartiere gegen die Vereinsamung (1)

Wichtiger Impuls des Kreisseniorenbeirats (Vogelsbergkreis)


Kürzlich wurde unter der Überschrift "Nachbarschaftsquartiere gegen die Vereinsamung" auf FOCUS regional der nachfolgende Beitrag eingestellt:
http://www.focus.de/regional/hessen/vogelsbergkreis-kreis-seniorenbeirat-nachbarschaftsquartiere-gegen-die-vereinsamung_id_7142913.html

Ich begrüße diese Initiative ausdrücklich, möchte aber auch einige kritische Anmerkungen anschließen, die dem Vorhaben hoffentlich hilfreich sind:

1.

Der Vorschlag, in geeigneten „Pilotquartieren“ die nachbarschaftlichen Strukturen zu beleben, um der Vereinsamung insbesondere allein lebender Menschen entgegen zu wirken, stellt einen richtigen Handlungsansatz dar, um auch ländliche „Lebensräume“ weiterhin attraktiv zu gestalten. 
Ich halte es allerdings für notwendig, sich mit dem Initiator und den Akteuren des Projekts (Kreis-Seniorenbeirat?) im Vorfeld der Realisierung künftiger Pilotprojekte – zum Beispiel im Rahmen einer „Initiativ- oder Planungsgruppe“ unter Beteiligung interessierter Bürger – über den richtigen Weg zur praktischen Umsetzung auszutauschen. Statt sich zum Beispiel lediglich in den jeweiligen Kommunen „nach geeigneten Pilot-Quartieren umzuhören“, sollten gleich zu Beginn plausible Kriterien für deren Vorauswahl entwickelt werden.

2.

Nicht sehr glücklich bin ich mit der Überlegung, in den ausgewählten Pilot-Quartieren „zunächst Befragungen anhand eines Fragebogens“ durchzuführen, „um die nachbarschaftlichen Verhältnisse mit allen positiven und negativen Punkten auszuloten“. Dies könnte sich als folgenschwerer Fehler erweisen, der den ausgezeichneten Handlungsansatz unnötig kompliziert. 

Jede Entwicklung eines Fragebogens, der am Ende valide Ergebnisse erbringen soll, erfordert ein hohes Maß an Expertenwissen. Fragenkataloge, die sich größtenteils auf Selbstbewertungen stützen, ergeben in aller Regel kein objektives Bild der Verhältnisse, mit denen dann konstruktiv gearbeitet werden könnte. Niemand gibt z.B. gern zu, selbst isoliert zu leben, sich wenig oder gar nicht um die Nachbarn zu kümmern oder im Alltag gar auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Wie schwierig es ist, "Bedarfe" innerhalb des privaten und nachbarschaftlichen Umfelds objektiv zu ermitteln, ergibt ein Blick in die folgenden Studien:

Diejenigen, die allein sind und daher - natürlich in sehr unterschiedlichem Umfang - Ansprache, Hilfe usw. benötigen (besser: benötigen würden), sind durch Umfragen nur schwer zu erreichen (vgl. Social Isolation Hypothesis). Vor allem subjektiv empfundene soziale Isolation, wie sie im psychologischen Konzept von Einsamkeit enthalten ist, beeinflusst die Teilnahmebereitschaft an Umfragen negativ. 

3.

Meine Anregung wäre, in den Pilot-Quartieren, die bereits nach dem Kriterium einer dort zu vermutenden Häufung von "Vereinsamten" (hoher Anteil alleinstehender Senioren, Alleinlebender jeden Alters, Alleinerziehender usw.) ausgewählt wurden, mit Hilfe der dort verankerten Institutionen, Vereine usw. (z.B. Kirchengemeinden, VdK, Betreuungsverein) einen „Besuchsdienst“ als Hauptform des Ehrenamts einzurichten, der die Aufgabe wahrnimmt, den in Frage kommenden Personenkreis (z.B. auch Bewohner von Seniorenheimen) festzustellen, zu kontaktieren und bei Bedarf regelmäßig aufzusuchen, um sich nach dem jeweiligen Wohlergehen zu erkundigen und ggf. konkrete Hilfen anzubieten. 



Die Aufnahme und Pflege nachbarschaftlicher Kontakte kann recht zwanglos auch in Form einer sog. „Feier-Brigade“ (Verballhornung von fire brigade) geschehen: Ein "Eventveranstaltungs"-Team bietet isoliert lebenden Menschen mit wenig Kraftreserven und Eigeninitiative an, Nachbarschaftsfeste zu konkreten Anlässen (Geburtstagen o.ä.) zu veranstalten oder einfach nur kleine Sommer-, Garten-, oder Grillpartys, Kaffetafeln oder gemeinsames Kochen und Essen zu organisieren. Der "Rundum-Service" schließt die Verteilung von Einladungen, "Speis' und Trank" (idealiter unter Einbeziehung von Foodsharing- und Foodsaver-Aktivitäten sowie Spendenaktionen), die "Möblierung" des "Festplatzes", die musikalische Untermalung (Musikanlage, Discjockey, Livekonzert) sowie das Aufräumen danach ein. Im Rahmen solcher Nachbarschaftsevents werden neue Kontakte zu dem jeweiligen "Gastgeber", aber auch generelle Aufmerksamkeit und Verantwortungs-bereitschaft im Nachbarschaftsquartier gestiftet. Auch so lässt sich – ganz ohne aufwändige Exploration der nachbarschaftlichen Verhältnisse – die Tendenz zur Vereinsamung und Ausgrenzung der isoliert Lebenden aufbrechen.
Ulrich Lange

Dienstag, 9. Mai 2017

Bürgerbeteiligung in der postdemokratischen Gesellschaft

Vom Rückbau tatsächlicher politischer Partizipation der "Abgehängten"



Der Demokratie droht Gefahr. Die Ursache liegt aber nicht etwa in dem Aufkommen von Wutbürger-Bewegungen wie Pegida oder AfD. Die haben eher dafür gesorgt, dass sich das zivilgesellschaftliche "Gegencamp" der Gebildeten und Aufgeklärten neu formieren konnte. Die rechtspopulistischen Einheitsfeier-Störer, von den politischen Eliten als hirnloses Pack verspottet, und die gar nicht so arme Partei der Einheits-, Modernisierungs- und Globalisierungsverlierer sind eher das Ergebnis eines Verlustes an Glaubwürdigkeit der repräsentativen Demokratie, der lange vor deren Aufkommen eingesetzt hat und den man seit Colin Crouchs 2004 in Oxford erschienenem Werk „Post Democracie“ als „postdemokratisch“ zu  beschreiben pflegt. Crouchs Grundthese ist, „dass es einen Rückbau tatsächlicher politischer Partizipation gibt zugunsten einer lediglich demonstrierten Demokratie, indem z.B. Wahlen zu einem im Wortsinn formalen und tatsächlich folgenlosen Verfahren werden."

Diese Analyse findet Dirk Jörke aus Sicht der unterprivilegierten Schichten, aus denen sich die Anhängerschaft von Pegida und AfD zu einem Großteil rekrutiert, eindeutig bestätigt:
>> Crouchs Diagnose kann sich auf eine Reihe von empirischen Belegen berufen. […] In nahezu allen westlichen Demokratien, aber ebenso - und besonders deutlich ausgeprägt - in vielen der neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas lässt sich seit gut zwei Jahrzehnten ein deutlicher Trend zum Rückgang der Wahlbeteiligung feststellen. Es ist indes nicht allein der quantitative Rückgang, der aus demokratietheoretischer Perspektive Anlass zur Sorge gibt. Wenn die empirischen Befunde nach soziostrukturellen Faktoren auf- geschlüsselt werden, tritt auch ein qualitativer Unterschied hervor. Dass eine Person nicht zur Wahl geht, ist nämlich umso wahrscheinlicher, je niedriger der Bildungsabschluss und das Einkommen sind. Jene Bürgerinnen und Bürger, die sich kaum noch von den politischen Eliten verstanden und respektiert fühlen, ziehen sich nachweislich aus den demokratischen Beteiligungsverfahren zurück. 
Die Angehörigen der "neuen Unterschichten" mussten in der jüngeren Vergan-genheit immer wieder die Erfahrung machen, dass ihre Stimmabgabe nicht den gewünschten Einfluss auf die politischen Entwicklungen hat. Betrachtet man beispielsweise die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern seit 1990, so haben die Wähler dort nacheinander nahezu sämtliche Regierungsbündnisse ausprobiert: schwarz-gelb, schwarz-rot, rot-rot und jetzt rot-schwarz. Auch waren sie während dieser Zeit an der Wahl unterschiedlicher Koalitionen im Bund beteiligt. Doch waren mit diesen Wahlen keine spürbaren Verbesserungen in den Lebensbedingungen jener Menschen verbunden, die sich den neuen Anforderungen wie hinsichtlich der Berufsmobilität oder des "lebenslangen Lernens" nicht anpassen konnten oder wollten. Wer es irgendwie schaffte, ging Richtung Westen; es blieben die Alten und die so genannten bildungsfernen Bürgerinnen und Bürger. Es sind diese ländlichen Gegenden, aber auch städtischen Plattenbausiedlungen, in denen die Wahlbeteiligung dann auch besonders niedrig ausfällt. Viele der Menschen, die dort leben, erhoffen sich offensichtlich nichts mehr von der Politik. Und eine Wahlbeteiligung von unter 40 Prozent ist in den entsprechenden Vierteln keine Seltenheit. Ähnliches lässt sich über viele ehemalige Industriestandorte im Westen der Republik sagen. Auch hier sind es vornehmlich die Opfer des Übergangs zur Dienstleistungs-gesellschaft, die den Gang zur Wahlurne verweigern. […] Differenziert man das Ergebnis nach Stadtteilen, so fällt die Beteiligung dort besonders niedrig aus, wo die "neuen Unterschichten" leben. <<
Pessimistischen Prognosen in Richtung einer zunehmenden Frustration gegenüber der repräsentativen Demokratie und sogar einer antidemokratischen Radikalisierung im postdemokratischen Zeitalter stehen Einschätzungen gegenüber, die weniger von einem "Ende der Demokratie" ausgehen, sondern ihre Hoffnungen auf einen "Formwandel" demokratischer Beteiligung setzen. Sie sehen in der „bürgerge- sellschaftlichen Aneignung des Politischen“ durch Mediationen, Bürgerforen, Konsensuskonferenzen, Referenden oder Bürgerinitiativen eine neue Kultur der politischen Einflussnahme im Gegensatz zu den traditionellen Formen des Wählens bzw. des Engagements in Parteien. Die hier zum Ausdruck kommende participatory revolution“ tritt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - in allen OECD-Staaten auf und wird „als Anzeichen einer quantitativen wie qualitativen Zunahme unkonventioneller Formen der Beteiligung auf Kosten repräsentativer Institutionen, ja als Beleg für die Lebendigkeit der Demokratie“ gedeutet. Insofern seien wir zwar „Zeugen eines Bedeutungsverlustes von klassischen demokratischen Entscheidungs-prozessen durch deren Auslagerung in Expertengremien und auf die internationale Ebene“, gleichzeitig lasse sich aber auch „eine Ausdehnung von neuen Partizipationsformen“ beobachten.

Dieser Optimismus erscheint aber gerade im Hinblick auf die politische Beteiligung des unteren Drittels unserer Gesellschaft bzw. im Hinblick auf die Berücksichtigung der Interessen der Arbeitslosen, prekär Beschäftigten, Armen oder von Armut Bedrohten vollkommen verfehlt. Es hat sogar den Anschein, dass die neuen und unkonventionellen Formen der politischen Beteiligung den postdemokratischen Entwicklungstrend eher verstärken als dass sie ihm entgegenzuwirken vermögen. Damit wäre die Strategie einer Neubelebung der Demokratie im postdemokratischen Zeitalter, wie Thorsten Giersch sie im Handelsblatt vom 22.09.2013 postuliert, zum Scheitern verurteilt. Giersch schrieb:

Wie kommen wir vom Weg in die Postdemokratie wieder ab?
Es müssen sich wieder mehr Menschen vor allem im kommunalen Bereich engagieren. Wir dürfen uns nicht mit dem Erreichten zufriedengeben, wenn wir Freiheit und Wohlstand nicht verlieren wollen. Mich erschreckt besonders die Anspruchshaltung unserer Jugend. Viele junge Menschen sind daran gewöhnt, dass es nur um sie geht und sie alles bekommen. Sie haben nichts, wofür es sich aus ihrer Sicht lohnt, auf die Barrikaden zu gehen. Von der Jugend gehen keine Impulse mehr aus, sie steht für nichts. Wir brauchen aber die gesellschaftliche Unruhe, die Reibung zwischen den Generationen, um nicht im Althergebrachten zu verharren. Es müssen wieder gesellschaftliche Konflikte entstehen, die offen ausgetragen werden.“
An den Konflikten, die laut Giersch wieder entstehen sollen, fehlt es indessen gar nicht. Doch wird deren offene Austragung oder Zuspitzung in der öffentlichen Diskussion oft gezielt in die „extreme Ecke“ verbannt bzw. unter Extremismusverdacht gestellt, während auf der anderen Seite [im Gegensatz zur ja ebenfalls denkbaren "Respektgesellschaft"] die "Konsensgesellschaft" der "Leisen", die "marktkonforme" oder "alternativlose" Demokratie oder sonstige Harmonie-Konzepte propagiert werden. Dies nützt vor allem denjenigen (insbesondere neoliberalen) Kräften, die vom Rückbau tatsächlicher politischer Partizipation profitieren und daher alles tun, um die politische Apathie insgeheim noch zu verstärken, indem sie Anregungen und Forderungen von Bürgerseite ins Leere laufen lassen. So bleiben Machtpositionen unangetastet, und der Staat kann ungestört den wirtschaftlichen Interessen der jeweiligen „Eliten“ dienstbar gemacht werden.  

Die Entschärfung konfliktträchtiger Debatten geschieht vor allem mittels der sog. „political correctness“ und der Unterscheidung zwischen erwünschtem „bürgerschaft- lichen Engagement“ (Prototyp Verschönerungsverein oder Flüchtlingshilfe), das man „fördert“ (= einbindet, vereinnahmt und "lenkt"), und dem „zivilgesellschaftlichen Engagement“ (z.B. Bürgerinitiativen gegen Verkehrsprojekte oder die Industriali- sierung der Landschaft mittels Windkraftanlagen), das man eher als „störend“ empfindet, als dem Gemeinwohl abträglich diskreditiert oder auch schon mal dadurch unredlich in Verruf zu bringen sucht, dass man eine Parallele zu Pegida und AfD konstruiert.

Auf diesem Wege findet sich auch der soziale Protest der Enttäuschten und Abgehängten – zumal wenn er sich ("primitiv" und "unaufgeklärt") in ausländerfeindlichen Parolen und Drohungen gegen „die da oben“ (Volksverräter!) Bahn bricht – schnell in der Ekel-Zone intellektueller und moralischer Verachtung (siehe political correctness) wieder. 

Der wahre Hintergrund des Bedeutungsverlusts demokratischer Willensbil- dungsprozesse bzw. der Hinwendung des unteren Drittels der Gesellschaft zu populistischen Gruppierungen, die zwar die tradierten Formen der Parteiendemokratie zunächst als Trittbrettfahrer nutzen, aus ihrer Verachtung dem „System“ gegenüber aber keinen Hehl machen, liegt jedoch in der (uneingestandenen bzw. durch reine Lippenbekenntnisse verschleierten!) Abkehr der „Eliten“ gleich welcher Couleur vom Narrativ einer egalitären Gesellschaft samt ihrer Aufstiegsversprechen für jeden, der etwas leistet und sich nur genügend anstrengt. 
So ist spätestens seit den 1980er Jahren eine zunehmende Abkehr von der „sozialen Marktwirtschaft“ bzw. eine Hinwendung auch der Sozialdemokratie als einstiger "Arbeiterpartei" zu einer "neuen Mitte" zu konstatieren. Deren Begleiterscheinung war ein geringes Interesse für die Integration großer Gruppen von Arbeitsmigranten, die überwiegend zum Heer der Arbeitslosen und Leistungsbezieher gehör(t)en und sich um so stärker in urbane Ghettos zurückzogen, wie die Mehrheitsgesellschaft Inte-grationserfordernisse aus den Augen verlor und man sie aus Desinteresse der Ersatzideologie des politischen Islam überließ.

Um mit Jörke zu sprechen: 
„Die Opfer dieser Entwicklung sind laut Crouch traditionelle Arbeitermilieus und jene größer werdende Gruppe der "Ausgeschlossenen" (Heinz Bude). Post-demokratisch sind die gegenwärtigen Verhältnisse also nicht allein aufgrund des Gestaltwandels der Demokratie, sondern auch deshalb, weil moderne Gesell-schaften das demokratische Versprechen der sozialen Inklusion zunehmend verletzen.“
Die Forderung nach einem vermehrten Engagement „der Bürger“ im kommunalen Bereich, quasi als Gegenbewegung zur postdemokratischen Entwicklung, geht an den gesellschaftlichen Realitäten vollkommen vorbei. Insbesondere in der wiederum stark „formalisierten“ Gestalt des von Politik und Verwaltung favorisierten und „geförderten“ bürgerschaftlichen Engagements schließt sie das untere Drittel der Gesellschaft (wenn auch vielleicht ungewollt) aus und sorgt so dafür, dass die Interessen der sozial Unterprivilegierten, der Armen, Alten, Unterstützungsbedürftigen usw. wiederum ohne ausreichende Fürsprache bleiben. Und selbst dort, wo in den durch Politik und Verwaltung geförderten Bürgerbeteiligungs-Gremien die Partei der Alten, Armen, Abgehängten usw. sozusagen "stellvertretend" ergriffen wird, können Kommunikationsprozesse so "gelenkt" werden, dass diese Fürsprache folgenlos bleibt, indem etwa eindeutig feststellbare Defizite der Daseinsvorsorge negiert oder klein geredet und einschlägige Forderungen eben nicht in praktische Politik umgesetzt werden, weil hierzu weder Notwendigkeit noch Priorität bestünden. So bestätigt sich immer wieder die Erfahrung, dass Arme nicht zählen und die schön gefärbte Weltsicht der Politik sich in der sozialen Erfahrung des unteren Drittels der Gesellschaft nicht wiederfindet. Die Wut der Unterprivilegierten wird nachgerade herausgefordert, wenn der Öffentlichkeit brisante Erkenntnisse der Sozialwissenschaften bewusst vorenthalten werden. Besonders deutlich wird dies am Beispiel einer von der sozialdemokratischen Arbeitsministerin Andrea Nahles auf Wunsch einer GroKo-Mehrheit aus dem 5. Armuts- und Reichtumsbericht*) der Bundesregierung gestrichenen Passage. Diese lautet:

"In der Diskussion in Deutschland ist jedoch bislang nicht aufgegriffen worden, dass die Responsivität der Politik – also die Bereitschaft der Politik, Interessen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen – mit Bezug auf verschiedene Bevölkerungsgruppen deutlich unterschiedlich ausgeprägt ist. [...] Das Ergebnis der Studie ist, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Politikänderung wesentlich höher ist, wenn die Politikänderung von einer großen Anzahl von Befragten mit höherem Einkommen unterstützt wird (vgl. Schaubild A.IV.5.6). Dementsprechend war die Wahrscheinlichkeit für eine Politikänderung gering, wenn sich ein geringerer Anteil der Befragten der obersten Ein-kommensgruppe für die Politikänderung aussprach. Die Wahrscheinlichkeit wird jedoch größer, wenn eine große Mehrheit die Politikänderung unterstützte. In der mittleren Einkommensgruppe ist dieser Zusammenhang nur geringfügig positiv ausgeprägt, für die untere Einkommensgruppe zeigt sich sogar ein leicht negativer Zusammenhang. In den Sachfragen, in denen große Meinungsunter-schiede zwischen verschiedenen Einkommensgruppen vorherrschen, sind diese Effekte sogar noch stärker. Weiterhin gilt auch bei der Betrachtung der Berufsstatusgruppen: Je höher der Status einer Berufsgruppe, desto größer war auch die Wahrscheinlichkeit einer Politikveränderung."**)

So bemerkt Jörke abschließend:
„Wenn also in den neuen Formen der Bürgerbeteiligung sich überwiegend die Angehörigen der gut ausgebildeten Mittelschichten engagieren, dann droht der Zusammenhang von politischer und sozialer Gleichheit aufgelöst zu werden. Insofern nämlich die Interessen und Bedürfnisse der sogenannten bildungsfernen Schichten in den politischen Prozess nur noch unzureichend eingespeist werden, es auf deren Stimme kaum noch ankommt, erfolgt eine Verengung der politischen Willensbildung. Das Paradoxe an der gegenwärtigen Situation besteht darin, dass zwar auf der einen Seite durchaus eine lebendige demokratische Praxis zu beobachten ist, die nicht zuletzt in unkonventionellen Formen der Beteiligung zum Vorschein kommt. Auf der anderen Seite jedoch besitzt die soziale Basis dieser neuen Demokratie tendenziell oligarchische Züge, mit der Konsequenz eines Nachlassens egalitärer Politikinhalte.
Es besteht also die Gefahr, dass sich durch die Einführung neuer argumentativer Verfahren, aber auch durch die Zunahme direktdemokratischer Mechanismen, der Trend zur Postdemokratie verstärkt. Zumindest dann, wenn mit der Rede von der Postdemokratie die Auflösung des Zusammenhanges beider zentraler Versprechen der Demokratie verbunden wird. Denn eine intensivere Partizipa-tion der gut ausgebildeten Mittelschichten bei gleichzeitigem Rückzug der Modernisierungsverlierer von den Kanälen der politischen Willensbildung droht soziale Spaltungsprozesse zu beschleunigen. 
Insofern ist vor allzu viel Optimismus mit Blick auf die gegenwärtigen Verände-rungen demokratischer Beteiligungsformen zu warnen. Sie können gerade nicht zu einer höheren Demokratiezufriedenheit in der Gesamtbevölkerung beitragen, sondern laufen Gefahr, die breit dokumentierten Phänomene wie Politik- und zunehmend auch Demokratieverdruss auf Seiten der "neuen Unterschichten" zu intensivieren. Kurzum: Die Forderung nach mehr direkter demokratischer Beteiligung stellt keinen Ausweg aus der Postdemokratie dar.“ 
Aber sind die Geschicke unserer Gesellschaft wirklich in der hier beschriebenen Weise determiniert? Ich möchte mit einem weniger resignativen Fazit schließen: Statt "alternativlos" ein "Sowohl-als-auch"! So hat eine Partei wie DIE LINKE, die gerade den Nimbus der Protestpartei abstreift und dabei im Osten kräftig Anhängerschaft an die AfD abgibt, während sie im Westen seriösen Mitgliederzulauf erhält und sich erstaunlich verjüngt, durchaus das Zeug, den "Formwandel demokratischer Beteiligung" in ihr Programm bzw. die Parteiarbeit aufzunehmen und zusätzlich den traditionellen Beteiligungsformen (Gewerkschaftsarbeit!) neuen Schwung zu verleihen. Denn in der konkreten politischen Auseinandersetzung um die Zukunft der Arbeit und eine sozial gerechte Gesellschaft geht das eine nicht ohne das andere: Solidarisches Handeln im traditionellen Rahmen und direkte Partizipation in neuen Formen der Bürgerbeteiligung. Die "Oligarchisierung" im Wege direkt-demokratischer Mechanismen, sprich der steigenden Anforderungen an die fachliche Qualifikation des sich beteiligenden Bürgers und sein Verständnis u.U. komplizierter Beteiligungs- verfahren, wird nur dann zum Problem, wenn die in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik durch Bildung und erweiterte Möglichkeiten zur beruflichen Selb- ständigkeit aufgestiegene Mittelschicht sich weiterhin von den 25 Prozent der Abgehängten distanziert, wie das zur heimlichen Ideologie von "New Labour" und "Agenda 2010" gehörte und der Sozialdemokratie gerade tonnenschwer auf die Füße fällt. Das Zauberwort heißt "Kümmererpartei". Durch bewusste Hinwendung zum Alltag der "Modernisierungsverlierer" mit dem Ziel, die "Abgehängten" durch konkrete Unterstützung (soziale Projekte) vor Ort aus ihrer Rolle zu befreien bzw. hier Hilfe zur Selbsthilfe zu vermitteln, kann der Gefahr einer sozialen Spaltung auch der neuen Bürgergesellschaft entgegen gewirkt werden. 

Ulrich Lange
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*) vgl. Link zum gesamten Text des 5. Armuts- und Reichtumsberichts